Was dem einzelnen nicht möglich ist

28/03/2018

Artikel in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Alpakapost“ von Christian Bauer.

 

Was dem einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.

(Friedrich W. Raiffeisen)


Dass Alpakas domestizierte Nutztiere sind, braucht an dieser Stelle nicht gesondert erläutert werden. Dass man sie auch als Heimtiere, die man aus Freude und Interesse hält, betrachten kann, ist für einen Alpakazüchter oder Halter auch völlig klar.

Dass sie in unseren Breiten kaum als Tiere wahrgenommen werden, deren landwirtschaftliche Nutzung, abgesehen vom Tierverkauf, wirklich Ertrag bringt, ist ebenso leicht erklärt: Man muss dafür nur die Anschaffungs- und Versorgungskosten und den Weltmarktpreis für ein Kilo Vlies in Babyalpakaqualität in Relation setzen.
Pessimisten (oder doch Realisten?) gehen aber mittlerweile davon aus, dass der Markt für Verkaufstiere doch einmal gesättigt sein wird (oder bereits ist?). Dann ist aber unabdingbar, dass nicht nur der Preis für regionales Alpakavlies steigen muss, sondern auch die Palette von innovativen Produkten aus heimischem Vlies erweitert werden muss.

 


Genossenschaft als historische Lösung


Ich bin überzeugt davon, dass das Rad nicht immer neu erfunden werden muss. Man kann durchaus auch in der Vergangenheit Lösungen finden. Vor allem dann, wenn man eine Antwort auf die für fast alle Alpakazüchter entscheidende Frage sucht: Wie kann man als „Alpakabäuerin oder Alpakabauer“ auch ohne Tierverkauf und ohne Zukauf von Alpakaprodukten aus Südamerika nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich sein? Blickt man in die Geschichte zurück, ist es ein Satz, der nicht nur in der Landwirtschaft soziale und wirtschaftliche Veränderungen brachte und auch heutzutage die Lösung sein kann: „Zusammen sind wir stärker!“ Auf dieser einfachen Idee beruhen Genossenschaften.
Genossenschaften sind Zusammenschlüsse von Personen, die gleiche oder ähnliche Ziele ( vor allem wirtschaftliche aber auch soziale oder kulturelle Interessen) verfolgen, basierend auf den Grundsätzen der Selbsthilfe, Selbstverwaltung sowie der Selbstverantwortung.
Der Begriff leitet sich übrigens vom Wort „noz“ ab, das (Nutz-) Vieh bedeutet. Genossen waren also Leute, die sich eine Viehherde teilten. Gemeinwirtschaft ist zwar keine Erfindung der Moderne, groß in Mode kamen die Genossenschaften aber erst im 19. Jahrhundert, vor allem aus dem alles prägenden Wunsch vieler Menschen nach politischer, sozialer und wirtschaftlicher Freiheit. Verantwortungsbewusste Persönlichkeiten erkannten das Elend der LohnarbeiterInnen, die Not der Menschen auf dem Land und ebenso die prekäre Kreditsituation des städtischen Mittelstandes. Sie griffen den Gedanken zur Selbsthilfe auf und etablierten Konsum-, Produktions- und Kreditgenossenschaften, die auch (oder vor allem) im 21. Jahrhundert in Zeiten der Globalisierung und hoher Mobilität von Kapital, Arbeit und Wissen immer mehr als regional verwurzelte und zuverlässige Entwicklungspole an Bedeutung gewinnen.

 


Warum schon nicht früher?


Nun haben sich endlich auch engagierte Alpakazüchter gefunden und sie gegründet- die Alpakagenossenschaft. Man stellt sich natürlich die Frage: Warum erst jetzt? Warum haben sich nicht schon viel früher AlpakazüchterInnen in einer Genossenschaft zusammengeschlossen, um die Faser ihrer Tiere gemeinsam zu verarbeiten und zu vermarkten? War der Grund dafür beispielsweise die leider auch in der Alpakaszene weit verbreitete Ansicht: Wenn jeder an sich denkt, ist ohnehin an alle gedacht oder war es schlicht und einfach übertriebenes Konkurrenzdenken? Oder war einfach die Zeit noch nicht reif? Ich weiß es nicht wirklich. Ich bin nur froh, dass ich mit einem leichten Anflug von Patriotismus mit diesem Artikel zwei Männer vor den Vorhang holen darf, denen es gelungen ist, eine Sache zu starten, deren Auswirkungen in all ihren positiven Konsequenzen noch gar nicht absehbar sind.
Als Karl Todtner und Georg Weiermair vor einem Jahr in Österreich mit der Ansicht angetreten sind, dass mittelfristig das Alpakavlies und die daraus hergestellten Produkte die einzig sinnvolle Ertragsschiene sein werden und dass es möglich sein wird, für das Vlies ein Vielfaches des Weltmarktpreises zu erzielen, wurden sie von vielen dafür belächelt. Nun ist ein Großteil dieser „Lächler“ allerdings vom Erfolg des Projekts felsenfest überzeugt.
Karl und Georg haben ihre Idee weitergedacht und ein einzigartiges Projekt entwickelt und im Februar 2018 die Alpakagenossenschaft gegründet, deren Aufgabe es sein wird, Alpakarohfaser zu ökonomisch vernünftigen Preisen zu kaufen und innovative Produkte zu entwickeln. Die Produktion dieser neuen Produkte in Kleinstserie war in der Vergangenheit natürlich unrentabel, das organisierte Sammeln der Genossenschaft macht aber beispielsweise Kleidungsstücke und Accessoires aus heimischen Vlies endlich möglich. Dass die gesteigerte Wertschöpfung der Faser natürlich den Tierverkauf steigern wird, erklärt sich von selbst.
Nun könnte man einwenden, dass die Wollvermarktung auch von einem Verein geleistet werden könnte. Dagegen spricht, dass bei Vereinen mehr die ideellen Interessen als die wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen, Geschäfte zwischen Verein und Mitgliedern eher als problematisch zu betrachten sind, keine echte Prüfung von außen stattfindet und der einzelne Verein, was die Menge der verfügbaren Faser betrifft, schnell an seine Grenzen stoßen würde. Bei der Genossenschaft hingegen stehen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund, es werden gemeinsame Standards entwickelt, das Geschäft wird gemeinschaftlich geführt und die Genossenschaft wird viel mehr als Marktteilnehmer wahrgenommen.
Weitere Vorteile der Genossenschaft sind der einfache Beitritt und Austritt für Mitglieder anerkannter Vereine, die Haftungsbegrenzung (durch die Einlage) und die externe Prüfung.

 


Nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg


Ich bin überzeugt davon, dass „Geschichte“ auch immer wieder von Einzelpersonen gemacht wird. Im konkreten Fall bin ich mir ganz sicher, dass es dem Engagement und der Beharrlichkeit von Karl Todtner und Georg Weiermeier zu verdanken ist, dass unsere Alpakas in Hinkunft bei uns auch als das wahrgenommen werden, wofür sie schon seit Jahrtausenden gezüchtet werden - als landwirtschaftliche Nutztiere, bei denen die Nutzung ihrer Faser im Vordergrund steht.